Die Künstlerpuppe
Er hatte sich Stifte, Farben, Pinsel, Leinwand und Papier gekauft, denn er hatte sich vorgenommen zu malen. Ein großer Künstler wollte er werden. In seiner Wohnung hatte er sich einen stillen Platz eingerichtet. wohin er sich zurückzog, wenn ihm danach war. Dann nahm er eine Leinwand, stellte sie auf die neu erworbene Staffelei, suchte einen Pinsel aus, nahm die Farbpalette zur Hand und drückte aus den Tuben, die Farben, mit denen er ein Bild malen wollte. Nein gelernt hatte er das Malen nicht, aber er war überzeugt davon es auch ohne zu können, denn was Picasso zustande brachte, konnte ja nicht so schwer sein.
Auch hatte er sich einen alten grauen Kittel zugelegt, den er voller stolz trug .
Dann konnte das Werk beginnen.
Den Akt einer schönen Frau, die aus seinen Träumen, wollte er auf die Leinwand zaubern. Es wurde die Figur einer aus den Fugen geratenen, sehr adipösen Dame, mit einem leichten Anflug von Ruchlosigkeit. Nein, das war nicht das Mädchen aus seinen Träumen und er dachte nach, kam zu dem Schluss ein Modell musste her.
Aber eine lebende Person, die seinen Vorstellungen entsprach, war einfach nicht auf zu treiben und die die was gewesen wären, die wollten Geld, welches er nicht im Übermaß hatte.
An einem schönen Donnerstag Morgen, in der Stadt, fand er einen Laden mit Künstlerbedarf und da sah er sie. Die Künstlerpuppe, lebensgroß, mit tollen Formen, beweglich, aber leider aus Holz .
Nun man konnte nicht alles haben dachte er sich, bezahlte den stolzen Preis von vierhundert Euro, nahm die Dame unter den Arm und stellte fest, dass es gar nicht so einfach war, mit der Holzlady U-Bahn zu fahren. Trotz beweglicher Glieder schien sie sich dagegen zu sperren, von ihm verschleppt zu werden. Endlich zu Hause angekommen suchte er in seinen Taschen nach dem Haustürschlüssel und lehnte Peggy, so hatte er sie zwischen zwei U-Bahnstationen getauft, gegen die hell grün gestrichene Wand des Flures. Drehte sich zur Türe, um diese aufzuschließen und verspürte einen heftigen Stoß zwischen den Schulterblättern. Der Stoß ließ ihn nach vorn taumeln . Er fiel in den Hausflur und hätte fast die Garderobe umgerissen. Liebe Güte, was war denn das? Er schaute hinter sich und sah nur die Holzpuppe, die unschuldig immer noch an der Wand gelehnt stand.
Er nahm sie wieder unter den rechten Arm und brachte sie in seine Mal- und Zeichenecke. Dort setzte er sie auf einen Sessel, den er extra angeschafft hatte, legte ihr ein Tuch um die Schultern. Erst jetzt fiel ihm auf, die Dame hatte kein Gesicht. Das ließ sich ändern, er holte seine Farben und begann ihr Augen, Nase und Mund zu malen. Auch die Ohren vergaß er nicht. Haare; sie hatte keine Haare, seltsam, aber die Augen, irgendwas war mit den Augen. Sie sahen ihn an.
Ach was das bildete er sich ein, oder doch nicht? Sie verzog den Mund? Sie wackelte mit dem Kopf? Nein, nein ,nein, aber er hatte doch auch kein Dope geraucht, Medikamente nahm er auch nicht, wieso halluzinierte er denn?
Sie bewegte die Arme? Nein, nein , nein, vielleicht war er aber auch überarbeitet? Schon zwei Nächte hatte er nicht geschlafen, oder besser, schlecht geschlafen. Immer wieder aufgewacht und immer wieder diese Frau.
Die Puppe Peggy hatte etwas gegen ihn, das spürte er genau, aber er wagte nicht das jemandem zu erzählen, denn sicher hätten sie ihn ausgelacht. Das Gesicht, dass er ihr gemalt hatte, wurde mit jedem Tag hässlicher. Die Lippen wurden breiter, dicker und von einem leuchtendem Rot. Rot wie Blut. Ihre Augen , er hatte sie blau gemalt, ein schönes helles Himmelblau, es hatte sich verändert ,hatte einen Stich ins Grüne bekommen. Die Pupillen leuchteten manchmal rot und machten ihm Angst.
Er hatte ihr eine Perücke besorgt . Lange blonde Haare hatte sie nun und hätte eigentlich zufrieden sein können. Doch was sollte das? Eine Holzpuppe, ohne Gefühle, ohne Leben, konnte nicht zufrieden, oder unzufrieden sein. Er sagte sich, dass er sich das alles nur einbilden würde. Als aber eines Nachts Peggy an seinem Bett stand und ihn mit höhnischem Grinsen ansah, da war es vorbei mit ihm. Er sauste aus dem Bett, rein in die Toilette, schloss sich ein und setzte sich zitternd in eine Ecke.
Da wachte er auch am nächsten Morgen auf und wusste nicht, wie und warum er eingeschlossen auf der Toilette die die Nacht verbracht hatte.
Verschlafen und mit müden, steifen Gliedern schlich er in die Küche um sich einen Kaffee zu kochen. Als er am Wohnzimmer vorbei kam, traf ihn fast der Schlag. Sein Malzeug lag verstreut im ganzen Raum herum, alle Tuben lagen auf dem Teppich und die Farbe die darin gewesen war, klebte an den Wänden. Alles war beschmiert. In der Mitte von diesem Chaos saß Peggy mit unschuldigem Gesicht. Die blonden Haare hatten rote Farbspritzer abbekommen, insgesamt war die Holzpuppe ebenso beschmiert, wie der ganze Raum.
Nichts hielt ihn mehr in seiner Wohnung. Er rannte im Schlafanzug aus dem Haus, zu seinem Freund, der gegenüber eine Wohnung hatte. Er klingelte Sturm und als sein Freund die Türe öffnete , taumelte ihm ein blasses Nervenbündel entgegen, das ihm stotternd berichtete, wie seine Wohnung nun aussah und das alles habe seine Künstlerpuppe Peggy gemacht.
Sein Freund bat ihn herein, gab ihm einen Kaffee und begleitete ihn anschließend in die Wohnung zurück. Er öffnete vorsichtig die Türe. Sein Freund ging mutig in die Wohnung, sah sich gründlich um und kam zurück in den Flur. Mitleidig sah er ihn an und verstand nicht warum er so panisch reagiert hatte. Nichts war in der Wohnung beschmiert, oder unordentlich, alles war so wie immer und Peggy saß in ihrem Sessel, mit dem Tuch über den Schultern und schaute aus himmelblauen Augen geradeaus.
Er schaute sich ungläubig um, sein Freund redete beruhigend auf ihn ein und machte den Vorschlag, doch vielleicht einmal einen Arzt aufzusuchen, der ihm dann ein paar Beruhigungspillen verschreiben könnte.
Eine ganze Woche blieb es ab da ruhig in seiner Wohnung. Peggy benahm sich so, wie sich eine Gliederpuppe zu benehmen hatte, nämlich still, leise, nicht selbständig beweglich. Es wurde Samstag und er hatte sich beruhigt. Schaute aber doch immer einmal wieder misstrauisch zu Peggy, die mit ihrer blonden Langhaarperücke im Sessel saß und anscheinend nichts dagegen hatte, das er sie in Position setzte, um sie zu malen.
Gerade hatte er alles vorbereitet, als Peggy aufstand. Ihre blauen Augen verfärbten sich zu einem intensiven grün, mit leuchtend roten Pupillen. Ihre Hände griffen nach ihm. Er konnte nicht entkommen.
Es klingelte an der Türe und eine hübsche Frau mit langen blonden Haaren und himmelblauen Augen öffnete die Türe. Der Freund des vorherigen Besitzers der Wohnung gab sich mit der Erklärung zufrieden, dass er verreist sei, um seine Nerven in den Griff zu bekommen. Die blonde Frau lud ihn auf einen Kaffee ein und nichts in der Wohnung ließ darauf schließen das hier einmal ein Mann gewohnt hatte, der unbedingt ein Künstler sein wollte. Nur unscheinbar in einer Vitrine stand eine kleine Gliederpuppe, die verdächtige Ähnlichkeit hatte mit dem Mann, der vorher hier gewohnt hatte.
Peggy aber trank mit dessen Freund Kaffee und ließ sich zum Essen einladen. Doch wenn er ihr den Rücken zukehrte, dann wurden ihre Augen grün und die Pupillen leuchteten in einem intensiven rot.
Ende