Unzweifelhaft war Karl May „ein Kind seiner Zeit“ und somit den damaligen Anschauungen verhaftet.
Ganz klar erkennbar ist natürlich, daß er das Christentum favorisiert hat und – meinem Empfinden nach – den Islam irgendwie als etwas „hinterwäldlerisch“ betrachtete.
Das Thema „Vom Wilden zum Edelmenschen“ ist schwer zu erklären. Es ist die Wandlung vom egobehafteten Menschen zum „vergeistigten Menschen“.
Karl May hat sich viel mit orientalischen Mythen beschäftigt. Seine Orienterzählungen haben einen ganz anderen Hintergrund; sie sind keine reine Unterhaltung. Seine Romane sind nicht einmal „Jugendliteratur“, obwohl sie oft in diese Rubrik geschoben werden.
Überhaupt sind viele seiner Erzählungen zum ganzen Teil keine (fiktiven) Berichte; es sind seine eigenen Erlebnisse, die er in ein anderes Umfeld setzte. Vielfach auch in seinen Heimatromanen.
Wenn Du nur seine Verfilmungen kennst: vergiß diese!
Sie spiegeln rein gar nichts von der Absicht Karl May´s wider.
Wer nicht gleich einen ganzen Roman lesen möchte, kann einmal in Band 49 "Lichte Höhen" hineinsehen.
Dort sind seine Gedichte versammelt.
Leider habe ich nach meiner Jugend kaum noch etwas von ihm gelesen. Vielleicht sollte ich es mal wieder anfangen. Aber neben „GmG“ lese ich heute überwiegend fachbezogene Literatur.
Der Feind
Auf, wappne dich, ein Held zu sein;
es gilt ein Ringen, keinen Reigen.
Nicht hüll dich in den Panzer ein;
nicht sollst das Schlachtroß du besteigen.
Es ist kein glänzendes Turnier
mit einem ebenbürt`gen Recken -
und doch gleicht er in Allem dir
und ist ein Hüne zum Erschrecken.
Entstammt dem niedrigsten Geschlecht
und, trotzger Gegner allen Rechtes,
ist er ein ungetreuer Knecht
und doch der strengste Herr des Knechtes.
Nicht edlen Waffengang gewohnt,
hat er die Tücke sich erkoren,
und wen im Streiten er verschont,
der ist gewiß erst recht verloren.
Auf, wappne dich! Er kommt nicht erst;
er ist schon da, ists stets gewesen.
Wie sorglos du mit ihm verkehrst,
kannst du in deinem Herzen lesen.
Und fragst du doch: »Wer ist gemeint?
Ich kann mich seiner nicht erinnern!«
So wisse es: Dein ärgster Feind,
er wohnt in deinem eignen Innern.
aus: Lichte Höhen